Der Musical-Macher: Ein Portrait über Andreas Luketa
Der MITTERNACHTSBALL liegt hinter uns, der GALA-ABEND DES MUSICALS begeistert die Musical-Fans in Deutschland & Österreich und die Produktion WHEN MUSICAL MEETS HISTORY steht in den Startlöchern. Wenn das kein Grund ist, sich ausführlich mit Andreas Luketa zu unterhalten. Sehr sympathisch und ehrlich hat er all unsere Fragen beantwortet. Entstanden ist daraus ein Portrait. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.
Zu den einzelnen Inhalten unseres Portraits:
- 1. Nachgefragt: Die Privatperson Andreas Luketa
- 2. Die Erfolgsgeschichte von Sound Of Music und das Berufsleben
- 3. Das Künstlermanagement
1. Nachgefragt: Die Privatperson Andreas Luketa
Musical1: Gehst Du privat noch ins Musical, ins Theater oder in die Oper?
Andreas Luketa: Tatsächlich ja. Ich gehe sehr gerne ins Schauspiel, aber auch ins Musical. Für mich ist es nach wie vor eine interessante Welt. Ich schaue mir außerdem oft kleinere Produktionen an, die mit wenigen Mitteln viel auf die Bühne bringen. Eine der spannendsten „kleinen“ Produktionen in den letzten Monaten war für mich CARRIE im First Stage Theater in Hamburg! Die hat mich sehr begeistert! Ich liebe es außerdem, mir die Produktionen der Folkwang Hochschule aus Essen anzusehen. GOETHE! in der Inszenierung von Gil Mehmert war großartig und kommt nächstes Jahr nach Bad Hersfeld, worüber ich mich sehr freue. Und auch KNOCKIN‘ ON HEAVENS DOOR hatte starke Momente. Einmal im Jahr geht es für mich auch immer nach London. Das bin ich irgendwie meinen Job schuldig. Stillzustehen ist immer ein Schritt nach hinten oder zu sagen: Man kennt schon alles. Das wäre arrogant. Ich freue mich immer auf neue Abenteuer!
Musical1: Gelingt es Dir, das Ganze als Show an sich zu genießen oder sieht man eine Produktion automatisch mit der „beruflichen Brille“?
Andreas Luketa: Wenn ich mir ein Stück ansehe, dann lasse ich mich schon fallen und möchte auch unterhalten werden. Natürlich fällt mir auf, ob jemand in bestimmten Bereichen meiner Meinung nach seine Hausaufgaben gemacht hat, oder nicht. Bei mir gibt es allerdings eine goldene Regel: Wenn ich privat ins Theater gehe, halte ich meinen Mund – es sei denn, jemand fragt mich. Wenn das passiert, wie z. B. bei Premieren, dann sage ich meine Meinung. Es kann natürlich sein, dass mir etwas gar nicht gefallen hat.
Dann verschwinde ich allerdings auch möglichst rasch vor der Premierenfeier. Ich möchte in diesem Fall nicht miesepetrig sein.
Vom Londonder Westend nach Deutschland: Brauchen wir mehr Mut?
Musical1: Häufig sieht man immer wieder die gleichen Stücke, egal ob an Stadttheatern oder in Großproduktionen. Beispielsweise finden erfolgreiche Westend-Shows, wie z. B. ONCE oder BILLY ELLIOT, den Weg nach Deutschland gar nicht oder nur sehr schwer. Brauchen wir mehr Mut, auch solche Stücke aufzuführen?
Andreas Luketa: Wenn ein Stück in Großbritannien erfolgreich ist, gibt es verschiedene Gründe dafür und das wichtigste Merkmal dabei ist, dass es eine Art Marke mit sich bringt. Etwas, mit dem ganz viele Menschen etwas anfangen können. Im Falle von ONCE, KINKY BOOTS oder BILLY ELLIOT waren allein schon die Filme in Großbritannien sehr erfolgreich, in Deutschland hingegen liefen diese nur im Programmkino. Solche Shows müssen in Deutschland somit erst einmal komplett etabliert werden, in jeglicher Hinsicht. Wie will man das schaffen? Offenbar hat man ebenso geglaubt, Meat Loaf und sein Album Bat Out Of Hell kennt jeder. Aber auch hier war zu erleben, dass ein Stück, das in London sehr erfolgreich gewesen ist und super funktioniert hat, in Deutschland genau das nicht tut. Es ist immer eine heikle Angelegenheit, vor allem bei Produktionen, die mehrere Millionen kosten.
Ich finde, dass insbesondere die Stadttheater in den letzten Jahren spannende deutsche Erstaufführungen auf die Bühne gebracht haben, z. B. BIG FISH, NEXT TO NORMAL oder DOKTOR SCHIWAGO. Schiwago hat man vom Broadway nach Deutschland geholt und aus einer Hochglanzproduktion ein dramatisches Stück Musiktheater mit Ecken und Kanten gemacht, das in mehreren Städten zu Recht große Erfolge feierte. Persönlich glaube ich, dass es schön wäre, mehr Mut zu haben, eigene Werke zu schreiben. Komponisten und Texter zu fördern. Projekte auszuschreiben, die nicht immer nur für kleine off-Bühnen konzipiert sind. Wir haben so viele richtig gute Komponisten und Texter in Deutschland, die in den letzten Jahren bewiesen haben, dass sie ganz tolle, anspruchsvolle Stücke auf die Bühne bringen können. Macht doch auch einfach mal ein bisschen Entertainment für die etwas breitere Masse! Das Theater braucht Euch! (lächelt)
Künstlerische Freiheit
Musical1: Jan Ammann hat in einem seiner Konzerte einmal gesagt, dass von ihm erwartet wurde, er müsse im Laufe einer Produktion klingen wie auf der dazugehörigen CD-Aufnahme. Nun ist ein Theaterabend Live-Entertainment. Muss ein Künstler immer so klingen wie auf der CD?
Andreas Luketa: Nein, natürlich nicht. Es sind ja Menschen, die singen und keine Roboter. Ganz im Gegenteil: Es ist auch spannend, wenn ein Künstler am Tag etwas erlebt hat und dies abends auf der Bühne als feine Nuance mitschwingen kann.
Je kommerzieller ein Musical angelegt ist, desto wichtiger ist es jedoch für die Produzenten von Long-Run-Häusern, dass Abend für Abend eine exakt gleiche Version des Musicals präsentiert wird. Nach der Aufführung werden dann sogenannte „notes“, also Anmerkungen, verteilt. Hier wird mit dem Darsteller Szene für Szene der Ablauf der Show nachbesprochen und auf vermeintliche „Fehler“ hingewiesen, damit der Darsteller das für das nächste Mal entsprechend korrigieren möge, um wieder in die vorgegebene Schablone zu passen. Nun: Mit welcher Akribie das in manchen Häusern betrieben wird, ist das für mich das Ende aller Kunst. Natürlich muss man schauen, dass sich Dinge auf der Bühne nicht total verselbstständigen – das schadet dann tatsächlich der Show. Aber nicht in dieser Art und Weise. Auf den Besetzungslisten der Großproduktionen in Deutschland sind derzeit deutlich weniger Musicalstars zu finden, als noch vor einigen Jahren. Viele spielen mittlerweile eher am Stadttheater oder auf Freilichtbühnen, da sie dort einfach mehr künstlerische Freiheit und Erfüllung finden.
Ganz wichtig ist dabei auch folgendes: Wie fühlt man sich als Künstler? Einer, der renommiert ist, sich in Deutschland einen Namen gemacht und mit vielen spannenden Regisseuren gearbeitet hat. Wenn man dann in so mancher Großproduktion Abend für Abend wie ein Schulbub reglementiert wird? Was macht das mit dem Ego? Nichts Gutes.
Natürlich erfordert es Mut, dann plötzlich auf Stadttheater- und Sommerproduktionen umzusatteln. Der logistische Aufwand ist auch viel größer. Bei Großproduktionen hat man eher einen geregelten Tagesablauf und ist ½ Jahr oder länger an einem Ort. Bei allen anderen Produktionen verbringt man halt sehr viel Zeit im Zug oder im Auto, um von A nach B und C zu gelangen. Aber es gibt da einen schönen Song aus dem Musical MOZART!: „Der einfache Weg ist immer verkehrt“. Der passt manchmal doch ganz gut dazu (schmunzelt).
Nachgefragt: Fans & Social Media
Musical 1: Im Musical MARIE ANTOINETTE gibt es die Textzeile „Der Mensch lebt von Illusionen“. Nun ist ein klassischer Musicalabend eine perfekt gestaltete Illusion. Wie gehst Du damit um, wenn das für Fans nicht mehr ausreicht und sie ggf. den „einen berühmten Schritt zu weit“ gehen? Wie schützt Du deine Künstler?
Andreas Luketa: Ich gebe immer denselben Rat: vermeidet allzu privaten Kontakt mit Euren Fans. Seid freundlich, gebt Autogramme und plaudert ein wenig – und das auch gerne von ganzem Herzen. Aber schaut genau, dass ihr diesen einen Punkt nicht überschreitet und durch allzu private Themen eine Art Intimität herstellt. Dadurch tut ihr Euch und auch den Fans nichts Gutes.
Künstler sind halt auch nur Menschen. Nach einem Konzert oder einer Aufführung kann es passieren, dass man mit einem Fan etwas privater plaudert. Vielleicht, weil man sich darüber freut, dass jemand da ist, da man sich unter Umständen just in dem Moment etwas allein fühlt. Natürlich ist das für einen Fan oder einen Besucher ein Stück weit besonders. Da kann es leicht passieren, dass der Wunsch geweckt wird, dieses Erlebnis zu wiederholen. Aber just an dem Abend, an dem der Fan es vielleicht wiederholen möchte, hat der Künstler dann vielleicht keine Zeit oder kann sich nicht mehr an das Gespräch erinnern. Das ist natürlich enttäuschend für einen Fan. Und daraus kann sich dann schon mal ein kleiner Teufelskreis entwickeln. Manchmal suche ich das Gespräch zu Fans, wo ich das Gefühl habe, dass ihr Verhalten meinen Künstlern gegenüber etwas zu aufdringlich ist. Ich habe das Gefühl, dass ich in den meisten Fällen die Situation dadurch etwas entspannen kann.
Musical1: Ist der ganze Social Media Bereich in diesem Zusammenhang ein Fluch oder ein Segen?
Andreas Luketa: Es gibt Künstler, die ihre Fans auf den Social Media Plattformen täglich gezielt mit Informationen und Aktionen versorgen. Dadurch suggeriert man die Illusion einer Verbindung. Es ist ja auch aufregend und spannend. Es kann ja sein, dass der Künstler auf einen aufmerksam wird, wenn man oft und nachhaltig kommentiert.
Wichtig ist eigentlich für alle Fans, dass man kurz innehält und sich fragt: Ist mein Hobby reine Leidenschaft? Mag ich die Musik, die Stimmen auf der Bühne? Gehe ich ins Theater oder Konzert, um mich selbst noch etwas glücklicher zu machen, als ich eh schon bin? Oder füllt der Besuch und ggf. das Gespräch mit einem Künstler (ob nun virtuell oder live) eine Lücke in meinem Leben? Wenn dem so ist, dann kann es leicht zu einer Sucht werden, der man immer und immer wieder nachkommen muss, da die Lücke ja nur temporär und nie konstant geschlossen wird.
Unsere Gesellschaft schafft durch die soziale Isolation heutzutage leider ganz viele solcher Lücken. Je mehr wir vernetzt sind und miteinander „schreiben“, desto weniger Kommunikation ist eigentlich wirklich vorhanden und desto weniger werden Menschen wirklich wahrgenommen. Daher glaube ich, dass jeder – der wahrnimmt, dass es bei ihm eine solche Lücke gibt – sich auf den eigenen Weg machen sollte, diese zu schließen. Er soll all seine Leidenschaft im Theater und bei Konzerten finden, aber er muss sich darüber bewusst sein, dass kein Künstler und keine Show diese eine Lücke schließen kann. Das kann man nur selbst.
Ich persönlich habe ein Team, das sich um den Bereich Social Media und die Kommentare kümmert. Manche lese ich auch selbst. Die Anonymität des Internets, gerade bei Facebook und Instagram, lässt bei einigen Menschen sämtliche Hemmschwellen fallen. Man kann unreflektiert austeilen, z. T. sehr egoistisch. Manches schlägt dann eben auch große Wellen. Da frage ich mich immer, ob die Personen – die so etwas formulieren – sich nicht einen kleinen Moment Gedanken darüber machen, wie das eigentlich beim Empfänger ankommt.
Familienleben und stolzer Papa
Musical1: Du hast lange ehrenamtlich eine kleine Gruppe von Kindern und Jugendlichen betreut. Jetzt hat sich daraus eine Familiensituation für Dich entwickelt, denn zwei der Kinder sind inzwischen Deine Pflegekinder. Wie kam es dazu?
Andreas Luketa: Ich bin auf ein Kinderheim aufmerksam geworden, als ich vor vier Jahren aufs Land gezogen bin. Dort habe in Form einer ehrenamtlichen Tätigkeit eine Theatergruppe gegründet um mit neun Jugendlichen Theaterstücke zu besuchen, diese vor- und nachzubereiten – mit ihnen die Freizeit zu gestalten. Aus dieser reinen Theatergruppe wurde aber sehr bald etwas Anderes: Wir haben unsere Gruppe life saver umbenannt, weil wir Lebensmomente sammeln und bewahren wollten.
Zwei Brüder haben – parallel zu unseren Gruppentreffen – auch privat Kontakt mit mir gesucht, sind mit ihren Sorgen und Problemen zu mir gekommen. Dadurch hat sich die Idee herauskristallisiert, ob wir nicht gemeinsam eine Familie gründen möchten. Nach vielen aufreibenden Monaten, Gesprächen und Diskussionen mit dem Jugendamt, leben die Beiden nun seit mehr als vier Monaten bei mir. Wir haben unsere kleine Familie gründen dürfen. Die beiden Teenager sind sehr kultur- und musikinteressiert. Wenn wir beispielsweise zusammen im Auto fahren, sind wir eigentlich nur am Singen (lacht). Sie kennen alle Musicals auswendig, von THE GREATEST SHOWMAN über RENT bis DEAR EVAN HANSEN. Musik ist ihre große Leidenschaft!
Ich bin sehr glücklich, bei diesen Jungs noch einmal erleben zu können, was ich alles geben kann. Was ich dalassen kann, wenn ich irgendwann nicht mehr bin. Das stellt für mich etwas ganz Besonderes dar. Viele Dinge, die ich in meinem Leben schmerzhaft erlernen musste, kann ich ihnen jetzt schon erzählen. Natürlich müssen sie ihre eigenen Erfahrungen machen, das ist wichtig. Aber vor so mancher Dummheit, die ich als Jugendlicher gemacht habe, kann ich sie auf jeden Fall bewahren (lacht). Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich, Papa sein zu dürfen.
Als ich die Gruppe übernommen hatte, war mir gar nicht bewusst, wie viele solcher Heime es in Deutschland gibt, in denen Kinder leben, die ganz viel Liebe und Aufmerksamkeit brauchen, die wahrgenommen werden wollen. Menschen brauchen, denen sie vertrauen können und die sie einfach mal in den Arm nehmen. Ich würde mich so sehr freuen, wenn noch mehr Personen in Deutschland den Mut hätten, Kinder aus Heimen als Pflegekinder aufzunehmen – und ihnen ein Zuhause zu geben. Viele haben Angst, dass die Kinder so viel Schlechtes in ihrem Leben durchgemacht haben. Oder mit Problemen konfrontiert werden, denen sie nicht gewachsen sind.
Ich kann nur sagen: Ich habe das Gefühl, mit jeder neuen Erinnerung – die gut ist, die ich bei meinen Kindern erschaffe – wird eine alte schlechte Erinnerung ein klein wegradiert. Ich möchte wirklich allen Leuten Mut machen: Schaut einmal, ob es bei Euch in der Nähe ein Heim gibt.
Geht dorthin, gerne zum Tag der offenen Tür und blickt mal hinein. Vielleicht findet sich in Eurem Leben auch noch ein Platz dafür, einem Kind, was bisher wirklich nur in der Schattenseite des Lebens unterwegs war, ein bisschen Sonne zu geben. Das finde ich wirklich wichtig. Jeder, der dazu Fragen hat, darf sich jederzeit an mich wenden.
2. Die Erfolgsgeschichte von Sound of Music und das Berufsleben
Musical1: Begonnen hat die Erfolgsgeschichte von Sound Of Music mit einem nach wie vor einzigartigen Konzept: einem Musicalshop bzw. Fachversand in Essen. Wie entwickelte sich diese Idee?
Andreas Luketa: Die Idee wurde in einer Zeit geboren, in der es noch kein Internet gab. Als Musik- oder Musical – Interessierter hatte man es sehr schwer, an CDs oder Informationen zu neuen Produktionen zu gelangen. Es gab auch nur zwei Geschäfte: Eines in London – Dress Circle – und eines in New York: Footlight Records. Was es damals schon gab, war das Magazin „Musicals“ und eine jährliche TV-Sendung: „Des Broadways liebstes Kind“. Peter Weck, der einstige Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, hat die Sendung moderiert. In Essen hatten wir damals einen Musicalstammtisch, dem auch Markus Tüpker angehörte. Er arbeitete als Radiomoderator und bei einer Bank, während ich als Filialleiter in einem Plattenladen tätig war. Wir kamen gemeinsam auf die Idee, interessante CDs aus dem Bereich Musical aus aller Welt zu importieren, um diese dann in Deutschland zu verkaufen. Aber natürlich auch wieder zu exportieren, damit z. B. der japanische Phantom der Oper – Fan die Möglichkeit hat, die ungarische Aufnahme von Cats zu erhalten. (lacht) So entstand die Idee.
Musical1: Warum wurde sich für den Standort Essen entschieden?
Andreas Luketa: Ich lebte in Essen und Markus Tüpker auch. Daher war es einfach klar, dass Essen „unsere“ Stadt ist – sozusagen die „Musicalstadt“.
Musical1: Ein Alleinstellungsmerkmal für die Konzerte von Sound Of Music Concerts ist, dass diese immer mit einem bestimmten Thema verknüpft sind. Das hattest Du als einer der ersten in der Branche umgesetzt. Woher nimmst Du die Ideen bzw. die Inspiration?
Andreas Luketa: Ich bin generell musikalisch sehr offen und natürlich daran interessiert, was im Musicalbereich so passiert – auch international. Von daher halte ich überall die Augen auf, höre ganz viel aktuelle Musik aus allen Bereichen und finde dort viel Inspiration. Ich gehe außerdem gern zu den Abschlussproduktionen der Studenten der einzelnen Universitäten. Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass man unterwegs ist, interessiert bleibt und immer viel hört. Das ist erstmal eine große Hilfe, aber offenbar bin ich aber auch ein „waschechter Wassermann“ und sehr kreativ.
Mir ist es bei allen Formaten wichtig einen roten Faden zu haben. Ich denke, die Faszination Musical besteht darin, dass man eine Geschichte emotional verfolgt: Mit den Mitteln der Musik, des Schauspiels und des Tanzes.
Die großen Eigenproduktionen
Musical1: Seit einigen Jahren gibt es große, etablierte Eigenproduktionen, wie den MITTERNACHTSBALL oder das Format WHEN MUSICAL MEETS HISTORY. Gehst Du bei der Planung und Konzeption genauso vor, wie bei den kleineren Konzertformaten?
Andreas Luketa: Wenn wir konkret den MITTERNACHTSBALL nehmen, dann ist das natürlich ein viel größerer logistischer Aufwand. Wir machen alles, was wir bei unseren normalen Konzerten im kleinen Rahmen auch tun: Wir sorgen dafür, dass alle Darsteller und Musiker sich wohlfühlen. Bei einer Veranstaltung wie dem Mitternachtsball hat das noch einmal äußerste Priorität. Abgesehen von dem Aufwand ist es auch eine immense finanzielle und personelle Investition. Aber die Grundidee ist die gleiche, vom Konzept und meinem Ansatz her.
Ich versuche, die Programme von Jahr zu Jahr noch zu optimieren. Da höre ich wirklich sehr gerne auf die konstruktive Kritik, die ich von unseren Gästen bekomme. Es bestärkt mich darin, dass es sich lohnt weiter an den Formaten zu arbeiten. Ich glaube, dass wir 2019 den „fast perfekten“ MITTERNACHTSBALL abgeliefert haben, mit einer wunderbaren Mischung. Von unseren Künstlern habe ich ganz viele E-Mails bekommen, die mir gesagt haben, dass es auch hinter den Kulissen ein ganz besonderer Abend für sie war. Es ist ein bisschen wie ein Klassentreffen: Alle sind dabei und haben Spaß. Es ist auch beflügelnd, diesen Marathon von sechseinhalb Stunden gemeinsam zu „wuppen“. Danach zusammen bei einem Glas Wein zu sitzen, selig zu sein und zu bemerken, wie glücklich das Publikum war. Das ist etwas, das uns allen sehr viel Freude bereitet.
Musical1: Eine wunderbare Mischung ist ein gutes Stichwort. Wie kamst Du auf Kiss und Rammstein beim diesjährigen MITTERNACHTSBALL?
Andreas Luketa: Es gab tatsächlich viele Stimmen, die mir in einem netten Gespräch gesagt haben: uns fehlt zum Schluss ein bisschen der Ball-bzw. Party-Charakter. Es wäre doch toll, wenn man danach noch eine Party hätte. Das ist natürlich logistisch in einem Theater, wie dem Colosseum, gar nicht möglich. Darum dachte ich, dass der vierte Akt etwas beinhalten muss, was diese Stimmung auslöst. Es war dieses Jahr thematisch wirklich alles dabei: Von Killing Me Softly, Thriller bis hin zu Highway To Hell. Da war sie dann endlich: die Party zum Schluss der Show, auf die so viele gewartet hatten.
Das all unsere Künstler ihr Talent zeigen können, war mir immer wichtig und ein Antrieb. Wie viel steckt in ihnen, außerhalb der Rollen, die sie verkörpern? Was kommt zum Vorschein, wenn die Phantommaske oder die Vampirzähne abgenommen werden? Ich persönlich habe mich im vierten Akt zurückgelehnt und gedacht: Jetzt habt ihr uns drei Akte lang so mit Musicalsongs verwöhnt, mit euren tollen Interpretationen und Stimmen. Und jetzt zeigt ihr, dass ihr auch noch alle Rock´n´Roll könnt (schmunzelt).
Die Formate und die Künstler
Musical1: Wie triffst Du die Entscheidung, welcher Künstler bei dem jeweiligen Format dabei ist?
Andreas Luketa: Generell hat man im Laufe der Jahre Künstler, mit denen man sehr gerne zusammenarbeitet. Die nicht nur talentiert und zuverlässig sind, sondern einen guten Job auf der Bühne machen, ihr Herz öffnen und die Nähe zum Publikum suchen.
Zusätzlich freue ich mich, immer neue Talente auf die Bühne zu bringen, die ich z. B. in einer Stadttheaterproduktion oder beim Intendantenvorsingen zum ersten Mal gesehen habe. So kann ich meine Begeisterung an unsere Besucher weitergeben. Ich finde, dass Musicaldarsteller in Deutschland sehr wenig Wertschätzung erhalten, außerhalb der Fankreise. In unseren Konzerten können sie alle eine große Range zeigen. Das macht mich sehr froh, für all die liebenswerten Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten.
Musical1: Bei den Konzertformaten von Sound Of Music Concerts liest man häufig den Satz: „Andreas Luketa Productions und Sound Of Music Concerts
präsentieren: …“. Wo genau liegt der Unterschied in beiden Firmen?
Andreas Luketa: Sound of Music Concerts ist eine GmbH, die ich zusammen mit Markus Tüpker betreibe. Die Andreas Luketa Productions ist eine Eigenfirma, die ca. zwei Jahre nach Sound of Music Concerts entstanden ist, weil ich andere Dinge realisieren wollte. Ich hatte beispielsweise unheimlich Lust darauf, mit einem Künstler einen Abend mit schottischen, irischen Liedern und Chansons zu veranstalten. Daher wollte ich unsere Firma, die noch recht jung war, nicht belasten und das Risiko allein tragen. Einfach, um diesen Traum auszuträumen. Das war auch sehr schön (lacht).
Die Andreas Luketa Productions dient für meine Künstler als Veranstalter. Sound of Music Concerts haben wir als Vertrieb dabei, über den der gesamte Ticketverkauf läuft. Aus diesem Grund nennen wir immer beide Firmen.
Musical1: In diesem Zusammenhang haben wir auch von Eigenproduktionen im Schlagerbereich gelesen. Was hat es damit auf sich?
Andreas Luketa: Ich wollte den deutschen Schlager revolutionieren (schmunzelt) und hatte auch einen ganz großartigen Sänger und tolle Songs. Aber dieser Weg im letzten Jahr war doch etwas zu kühn. Wir werden die Songs und die drei entstandenen Videoclips, in denen auch bekannte Musicaldarsteller als Schauspieler dabei sind, nächstes Jahr veröffentlichen. Dann können alle einmal einen Blick in meine Schlagerseele werfen (lacht).
Lieblingslocations und berufliche Ziele
Musical1: Die Konzerte finden regelmäßig in ausgewählten Locations statt. Hast Du persönlich eine Lieblingslocation?
Andreas Luketa: Das Ebertbad in Oberhausen ist definitiv meine Lieblingslocation. Da hat unsere Konzertreihe „Musicalstars In Concert“ angefangen. Dieses Haus ist wirklich mit ganz, ganz vielen Erinnerungen verbunden, ich habe es in mein Herz geschlossen. Die Atmosphäre ist großartig, die Leute können z. B. an Tischen sitzen. Es hat wirklich Charme.
Musical1: Gibt es noch berufliche Ziele oder Wünsche in Deinem Leben? Oder würdest Du sagen, dass Du all das erreicht hast, was Du machen wolltest?
Andreas Luketa: Alles war ich erreichen wollte, habe ich erreicht und eigentlich auch noch viel mehr. Natürlich habe ich noch einige Projekte in meiner Schublade, die ich noch nicht realisieren konnte. Aber ich fühle mich dabei nicht von mir selbst gehetzt, diese jetzt unbedingt umsetzen zu müssen. Für all das, was ich bisher in meinem Leben erreichen durfte und für den Erfolg, bin ich sehr dankbar.
- Zurück zu Teil 1. Nachgefragt: Die Privatperson Andreas Luketa
- Zurück zu Teil 2. Die Erfolgsgeschichte von Sound Of Music und das Berufsleben
3. Das Künstlermanagement
Musical1: Seit gut 10 Jahren bedienst Du unter dem Namen Art and Soul Management auch die Sparte Künstlermanagement. Wie kam es dazu?
Andreas Luketa: In den letzten 15 Jahren haben mich immer wieder Menschen angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, ihr Management zu übernehmen. Aber erst 2009 habe ich eingewilligt – als Jan Ammann mich gefragt hat – und meine ersten Schritte in diese Richtung gemacht. Ich habe den Weg bis heute nicht bereut. Wenn man sich ein bisschen anschaut, was in der Musicalwelt in den letzten Jahren so passiert ist, dann ist es umso wichtiger, dass man jemanden im Management oder im Agenturbereich hat, der die Augen aufhält, sich in der Szene und mit Stücken auskennt und sehr gute Kontakte hat. Nachdem ich Jan Ammann drei Jahre allein gemanagt habe, fragten mich weitere Künstler an. Ich habe diese Aufgaben mit großer Freude angenommen und bin froh, sie alle auf ihrem Weg begleiten zu können.
Bevor man zu mir ins Management kommt, ist es wichtig, dass man sich kennenlernt. Denn mir ist nicht nur der Künstler wichtig, sondern vor allem der Mensch. Darum habe ich zu ihnen auch eine freundschaftliche Beziehung. Sie können ihre Sorgen mit mir teilen und wenn es morgens um halb drei ist. Mein Telefon ist immer an, denn dafür bin ich da.
Es gibt den schönen Satz: „Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten“.
So mancher Künstler ist bisweilen recht einsam, wenn der Beruf vielleicht nicht so funktioniert oder er mit einer aktuellen Produktion nicht ganz glücklich ist. Da ist es einfach wichtig, dass man jemanden anrufen kann, der ehrlich zu einem ist, der zuhört und versucht weiterzuhelfen. Ich denke, dass meine Künstler sehr zufrieden bei mir sind und sich gut aufgehoben fühlen.
Musical1: Häufig liest man von Deiner Philosophie des ganzheitlichen Managements. Ist das für Dich die erwähnte Vertrauensbasis und das persönliche, freundschaftliche Verhältnis, um zusammen einen beruflichen Erfolg zu erzielen?
Andreas Luketa: Das ist tatsächlich so, ja. Je mehr ich von meinem Künstler weiß und ihn auch in seinem privaten Umfeld erlebe, desto mehr Inspiration bekomme ich für zukünftige Projekte. Es ist heutzutage nicht so leicht den Überblick zu bewahren. Ich kann von einem Künstler nicht erwarten, dass er eine Transparenz darüber hat, was im Theaterleben in Deutschland passiert. Das ist eine wichtige Aufgabe, die jeder Agent oder Manager erfüllen sollte. Jemanden immer nur in Rollen auf der Bühne zu sehen, ist die eine Sache. Ihn mit all seinen Leidenschaften, Freuden und vielleicht auch mit seinen Ängsten zu erleben, hilft mir sehr dabei ein Gesamtbild zu schaffen. Dieses kann ich dann als Ansatz für die Audition-Bewerbungen nutzen, da ich ja genau weiß, was alles in meinem Künstler/meiner Künstlerin schlummert. Davon profitieren sie dann wiederum beruflich.
Das Wohl der Künstler steht immer im Vordergrund
Musical1: Aktuell managest Du zehn Künstler. Das ist ja auch ein Kompliment an Dich und an Deine beruflichen Fähigkeiten.
Andreas Luketa: Das ist ein Kompliment, das stimmt. Als ich mit dem Management angefangen habe, war Sound of Music schon so erfolgreich, sodass ich da gut von leben konnte. Das heißt, der Ansatz Management zu machen, kam nicht aus einer finanziellen Not heraus. Ein großer Luxus. Der es erlaubt, den Künstlern dabei zu helfen, im Business den richtigen Weg zu gehen oder sie vor dem falschen zu bewahren. Bis heute bin ich davon nicht abhängig, das ist sehr befreiend. Dadurch kann ich tatsächlich fair beraten. Ich bin sehr ehrlich, stelle immer das Wohl meines Künstlers in den Vordergrund und nicht mein eigenes finanzielles Interesse.
Neue Facetten entdecken
Musical1: Deine Künstler, wie z. B. Eve Rades oder auch Jan Rekeszus, sind dafür bekannt, beinah hauptsächlich an Stadttheatern zu arbeiten. Ist das eine bewusste Entscheidung, die Du auch empfiehlst?
Andreas Luketa: Ja, ganz eindeutig. Als junger Darsteller ist es bestimmt interessant und durchaus lehrreich, wenn man mal ein Jahr En Suite in einer Großproduktion spielt. Man kann lernen, wie es ist, wenn man funktionieren muss und das Rollenbild, was einem übertragen wird, zu 100% erfüllen muss. Man kann seine Stimme, sein Schauspiel – und ein Stück weit sein Aussehen – mit einbringen. Jedoch ist man einfach stark in den Möglichkeiten beschränkt, eine Rolle zu individualisieren. Ich glaube, wie ja bereits erwähnt, dass das auf lange Sicht für jeden Darsteller, der einen gewissen Anspruch an sich selbst hat, enttäuschend oder frustrierend sein kann.
Im Stadttheaterbereich ist das anders. Wenn man dort einen guten Job gemacht hat, dann hinterlässt das Spuren: Beim Theater an sich, beim Intendanten, beim musikalischen Leiter oder beim Regisseur.
Diese nehmen gerne Künstler, die sie begeistert haben, mit in eine weitere Produktion. Damit hat man einen Schneeballeffekt. Unter diesem Aspekt kann man sich leichter eine Karriere aufbauen.
Viel spannender am Stadttheater ist jedoch: Der Regisseur interessiert sich für deine eigene Vision von der Rolle. Man wird als Schauspieler gefordert, kann an Grenzen gehen, sich selbst entdecken. Man kann seinen Beruf ausüben: schauspielern. Mit jeder Rolle, die man mit einem guten Regisseur erarbeitet, wächst man wieder ein Stück und findet eine neue Facette an sich. Das ist ein großes Abenteuer und viele meiner Künstler sind so dankbar, das für sich entdeckt zu haben.